Ballett-Klischees ( Teil 1)

Wie ihr vielleicht schon von meiner »Über mich« Seite wisst, tanze ich Ballett. Und das schon seit 22 Jahren (mein Gott, ich komme mir so alt vor …) Heute Abend steht ein Event an, für das wir schon seit Weihnachten trainieren: die Aufführung von unserer Ballettschule.
Das letzte Mal, dass ich bei so einer Aufführung mitgemacht habe, liegt auch schon 8 Jahre zurück, da ich inzwischen in einer Gruppe bin, die bei den Aufführungen nicht mehr mitmacht. Und dann findet das Ganze auch nicht wie früher in Bamberg statt, sondern in Fürth.
Fürth!
Das ist quasi schon fast der Broadway. Oder das Bolschoi-Theater ;-)
Wie auch immer.
Jedenfalls habe ich aufgrund meines Hobbys beim Besuch meines örtlichen Drogendea… ähh Buchhändlers folgende Macke: Ich schlendere oft durch die Regale der Kinderbücher und prüfe Kinderballettbücher auf balletttechnische Korrektheit.
Und da springen mir eigentlich immer dieselben Klischees ins Auge, die ich euch gerne vorstellen möchte.

1. Die Ballettlehrerin

Unsere Protagonistin (sie ist immer weiblich … bis auf Billy Elliot kenne ich keine Ballettgeschichte mit männlichem Protagonisten) sieht im Fernsehen eine Ballettaufführung (meistens Schwanensee), ist begeistert und möchte das lernen. Nach einiger Überzeugungskraft melden sie ihre Eltern zur ersten Ballettstunde an. Und wird von ihrer Ballettlehrerin begrüßt. Sie ist natürlich gertenschlank, trägt Ballettklamotten, einen strengen Dutt.
Und Spitzenschuhe.
Zu einer Unterrichtsstunde für Vor-bis Grundschulkinder.
Zum Vergleich, das wäre ungefähr so, als würde ein/e Grundschullehrer/in in seine erste Klasse die gesammelten Werke von Schiller, ein Tafelwerk oder einen grafischen Taschenrechner mitbringen.
Besagte spitzenschuhtragende Ballettpädagogin gibt es zudem in zwei verschiedenen Ausführungen: Entweder ist sie Französin, hat einen seeeeeehr starken Französischen Akzent und wirft mit Wörtern wie »Magnifique«, »Trés bon« »Vite, vite!« Um sich oder sie kommt aus Russland direkt vom Bolschoi-Theater. In dem Fall war sie früher eine gefeierte Prima-Ballerina und heißt entweder Irina oder Elena.
Ich muss euch an dieser Stelle enttäuschen, wenn ich euch sage, dass keiner meiner Tanzlehrerinnen je aus Frankreich oder Russland kamen. Und keine von ihnen hieß Elena oder Irina. Zudem hatte ich in 14 von meinen 22 Ballettjahren einen Ballettlehrer.
Ja. Einen Mann.
Und nein, er ist nicht schwul.

2. Rosa, Rosa, Rosa

Schon wenn man auf das Cover in weiter Ferne blickt, weiß man, was einen erwartet. Rosa in allen Varianten. Pink, wenn es mal ausgefallen sein soll. Oder Lila. Manchmal auch Babyblau. Aber das auch nur in höchsten Ausnahmefällen. Und das trägt dann auch nur der alibimäßig eingefügte Statistenjunge, der irgendwo in der Ecke steht.
Die gute Nachricht ist: Man muss kein Rosa mögen, um mit dem Ballett anzufangen. Auch wenn ich mir das manchmal denke, wenn einer Gruppe Pré-Ballettkinder begegne (Pré-Ballett ist eine Vorstufe zum Ballett für 3 bis 6 Jährige, quasi eine Mischung aus kreativem Kindertanzen und ersten Ballettübungen). Man weiß immer genau, wann die rosa Ballettröckchen von H&M im Angebot sind.
Aber wenn sich nach ein paar Monaten oder Jahren die Spreu vom Weizen getrennt hat, ändert sich auch die bevorzugte Trikotfarbe (Ballettanzug. Ein Trikot ist ein Ballettanzug. Das ist ein bodyähnliches Teil, das im Schritt keine Knöpfe hat, sondern elastisch ist. Kein Tütü. Aber dazu noch später). Als ich 9 oder 10 war, war Türkis ganz groß in Mode, dicht gefolgt von Bordeauxrot. Inzwischen trägt man Schwarz (zumindest die Erwachsenen). Es gibt Trikots in allen möglichen Farben. Bordeauxrot, Grasgrün, Silber, Gold, Weiß, Grau, Gepunktet, Gestreift, Leopardenmuster! Bevor ich auf schwarz umgestiegen bin, habe ich jahrelang Royalblau getragen.
Vielleicht habt ihr ja auch schon auf Instagram gesehen, was unsere Kostümfarbe für die Aufführung ist.
Richtig. Schwarz.

3. Die Zicke

Unsere Protagonistin hat sich in der Gruppe eingefunden, aber da gibt es dieses eine Mädchen, dass immer total doof zu ihr ist. Natürlich ist sie nur neidisch, weil unsere Protagonistin mehr Lob von unsere Ballettlehrerin bekommt als sie. Den sie war vorher immer die Beste und trägt auch immer das schönste Tütü beim Training (mehr zum Tütü später). Bald stellen wir fest, dass dieses Mädchen nicht nur fies zu unserer Protagonistin ist. Sie ist ein verwöhntes Gör, dass reiche Eltern und/oder eine total überengagierte Helikoptermutter hat, die früher selbst erfolgreiche Profitänzerin war, aber durch einen tragischen Unfall selbst nicht mehr tanzen kann. Kein Wunder also, dass sie jeden herumkomandiert und gegen unsere Protagonistin intrigiert. Zum Schluss findet das die Protagonistin selbstverständlich heraus, weil sich die Zicke und ihre Mutter sich entweder unabsichtlich selbst verraten oder die Zicke ihr Fehlverhalten irgendwann einsieht (im Gegensatz zur Mutter).
Das Ballettreibende eingebildet sind und niemand anderem was gönnen, ist eines der größten Klischees überhaupt. Vor allem durch die gespannte Haltung wird diese Meinung vermittelt. Vielleicht kann dies im Profibereich hin und wieder zutreffen (wie in so gut wie jeder anderen Branche auch ;-) ), aber vor allem im Hobbybereich ist das einfach sinnlos. Man muss auch im Ballett als Team zusammenarbeiten, denn wenn der Tanz nicht syncron ist, dann sieht es einfach Kacke aus.

4. Tütü beim Training

Dieses Klischee ist nicht nur in Kinderballettbüchern verankert. Auf Bildern oder Postkarten sieht man sie … Ballerinas mit wallend weißen Tütüs an der Ballettstange. So gut wie jeder stellt sich unter einer Ballerina eine zierliche Elfe im Tütü vor, das sie einfach immer anhat, auch beim Training. Hier muss leider euer Weltbild zerstören.
Tütüs werden nicht zum Training angezogen. Punkt.
Das trägt man beim Auftritt, wenn überhaupt.
Man muss sich vor Augen halten, dass Ballett ein Sport ist. Ein ziemlich anstrengender sogar. Man schwitzt, man bewegt sich, benutzt Muskeln, die man sonst nie benutzt und hat am nächsten Tag tierischen Muskelkater. Tütüs sind da einfach unpraktisch. Ein Mythos ist auch, dass man zum Ballett Kleider anzieht. Als ich jünger war, habe ich beim Unterricht von meiner Schwester zugesehen. Da gab es ein Mädchen, das hatte tatsächlich ein Prinzessinen-Kostüm an. Es war knallpink, hatte eine Vielzahl an Pailetten, Rüschen und Schleifchen … und sie konnte sich überhaupt nicht darin bewegen. Beim Aufwärmen hat man jedes Mal ihren Hintern gesehen. Grand Battement (das ist das, wo man die Beine hochschmeist) ging gar nicht. Nach einem halben Jahr haben die Eltern auch gemerkt, dass das eine blöde Idee war und ihr einen anständigen Ballettanzug gekauft.
Mein Tipp für euch, falls ihr nach diesem Artikel Lust bekommen habt, Ballett auszuprobieren: Am Anfang reicht ein T-Shirt und eine eng anliegende Leggins oder Jogginghose völlig aus. Wenn ihr cool und stylish sein wollt, könnt ihr auch Hotpants mit durchsichtiger Strumpfhose anziehen. Für die Füße würde ich euch dicke Socken empfehlen. Gymnastikschläppchen eher weniger. Das hat den einfachen Grund, dass die Sohle von Gymnastikschläppchen aus Gummi besteht. Und im Ballett werden sehr oft die Füße über den Boden geschliffen. Das Gummi von den Gymnastikschläppchen bremst, im Gegensatz zu Ballettschläppchen, die eine Ledersohle besitzen.

 

 

Das war der erste Teil von meinen Ballett-Klischees, nächste Woche kommen noch ein paar mehr. Welche Klischees fallen euch ein. Habt ihr ein besonderes Hobby, dass ihr schon ganz lange macht? Was für Klischees gibt es da?

 

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